20180108Hochdeutsch

Amüsantes Ereignis während eines Praktikums in einer einklassigen Landschule

Im Rahmen des Studiums zum Lehramt an Volksschulen gehörte es in Nordrhein-Westfalen bis 1969 zur Pflichtaufgabe der Studenten, in den Semesterferien ein Praktikum an einer Stadtschule und an einer Landschule zu absolvieren.

So wurde ich im Herbst 1962 von der Pädagogischen Hochschule Münster zusammen mit einem Kommilitonen der einklassigen Volksschule in Coesfeld – Gaupel, einer kleinen Bauerschaft nördlich der Kreisstadt Coesfeld, zugeteilt. Erwartungsvoll machten wir uns am Wochenende vor Beginn des Praktikums auf den Weg, um uns dort vorzustellen, unseren Einsatz abzustimmen und ein Zimmer für die nächsten 6 Wochen zu besorgen. In Gaupel angekommen, wurden wir vom einzigen Lehrer der Schule, der natürlich gleichzeitig Schulleiter und Hausmeister war, äußerst freundlich empfangen. Er freute sich sichtbar, dass er für die nächsten 6 Wochen Unterstützung und vor allem Unterhaltung hatte. Organisatorisch hatte er bereits alles geregelt. Nicht nur unser Einsatzplan existierte bereits, vor allem hatte er uns bei einem Bauern bereits ein Zimmer mit Vollpension und natürlich Familienanschluss besorgt. Auch die Familie des Bauern Schulze-Schürhoff nahm uns freundlich auf, so dass wir dort wunderschöne Wochen verlebten, was auch dem Bauern und seiner kleinen Pferdezucht zu verdanken war. Die Herbstzeit mit den Aktivitäten der Landjugend zum Erntedankfest trug ebenfalls dazu bei.

Die Schule hatte nach meiner Erinnerung 53 Schüler in den Klassen 1 – 8. Diese mussten stufenweise unterrichtet und mit dem nötigen Lernstoff versorgt werden. Da die Schülerinnen und Schüler äußerst diszipliniert waren, verlief der Unterricht reibungslos. Allerdings ergab sich in einer der ersten Unterrichtsstunden ein kleines sprachliches Problem. Hochdeutsch war zwar die offizielle Unterrichtssprache, aber die Schülerinnen und Schüler verwendeten als Umgangssprache noch häufig ihre münsterländische Mundart. Als ich die 4 Schüler der 1. Klasse aufforderte, ihre Fibeln aus dem Tornister zu holen und auf einer bestimmten Seite zu lesen, saß ein kleiner Junge vor mir, schaute mich mit seinen großen treuen Augen an, regte sich aber nicht. Auch bei einer erneuten Aufforderung blieb er regungslos. Da meldete sich ein Schüler der 8. Klasse und sagte: „Herr Held, der Heinrich versteht nur Plattdeutsch.“ Da ich als Harener ja auch mit der plattdeutschen Sprache aufgewachsen war, hatte ich mit der entsprechenden Arbeitsanweisung keine Probleme und sagte: „Hinnerk, wuss du wall dine Fibel rutnäimen un up Site achte läsen!“ Danach schaute mich der kleine Heinrich etwas trotzig an und sagte: „Dat häs ja forts seggen könnt.“ Hierauf folgte er sofort der Aufforderung.