20171201 Köln DomkrippeWeißt du noch?“, brummte der Ochse bedächtig beim Fressen, „weißt du noch in der Nacht vor langer Zeit?“ Es war vor genau einem Jahr, aber für einen Ochsen ist das ein Menschenalter, „als die beiden, die hochschwangere Frau und ihr Mann in unseren Stall kamen. Und als das Kind geboren wurde?“

Ja“, sagte der Esel mürrisch, „ich erinnere mich!“.

 

Und als das Kind endlich da war, die vielen Leute, die dann kamen“, setzte der Ochse fort, denn er hatte sein Lieblingsthema entdeckt.

Der Esel nickte und sagte boshaft: „Und als du dann unbedingt verdauen musstest“, er sagte es mit einem anderen Wort, „und es so fürchterlich gestunken hat! Das war mir vielleicht peinlich!“

Der Ochse wollte sich sein Philosophieren nicht verderben lassen.

Nach einiger Zeit fuhr der Ochse fort: „Mein Chef war auch da. Und während er das Kind anschaute, kraulte er mir den Rücken!“

Der Esel nickte, denn ähnliches war ihm auch widerfahren.

Und von da an“, sagte der Ochse „wenn mein Chef mich an den Wagen oder den Pflug schirrte, hatte mein Herr keine Peitsche mehr dabei. Statt dass er mich schlug, wie er es früher immer tat, sagte er dann immer leutselig: „Na, dann wollen wir mal, Alter, wie?“

Jetzt wurde der Esel lebhaft. „Und mein Herr hat sich an mich gelehnt und das Kind angeschaut. Und von da an hat er immer gesagt: Ladet ihm nicht so viel auf! Sonst wird sein Rücken krumm! Und wenn es bergauf ging, schob er mich sogar!“

Ja, ja“, brummte der Ochse und platsch, platsch machte sich seine Verdauung in Form von dicken runden Fladen bemerkbar. Es begann fürchterlich zu riechen. Der Esel tat ihm gleich, aber gegen den Ochsen kam er nicht an, und das ärgerte ihn wieder.

Zufrieden mit seinen tiefsinnigen Gedanken, seiner gut funktionierenden Verdauung und der glückseligen Erinnerung legte der Ochse sich umständlich und schwerfällig nieder, streckte alle Viere von sich und begann genüsslich, das bereits Gegessene, wiederzukauen.

Der Esel stand unschlüssig herum.

Der Ochse hob den Kopf und sagte: „Leg´ dich doch an meinen Bauch, ich habe Wärme für zwei!“

Das tat der Esel auch, legte sich zwischen die Beine des Ochsen und spürte seine wohltuende Wärme.

Das Kind hat alles verändert“, murmelte der Esel behaglich schläfrig, „alles verändert!“

Ja, ja“, brummte der Ochse, war aber schon fast eingeschlafen.

Bild: Krippe am Kölner Dom